Gesundheitsstandort Deutschland im Wandel
Mit dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung eröffnet sich eine einmalige Chance: Der Gesundheits- und Forschungsstandort Deutschland kann strategisch weiterentwickelt werden. Der Koalitionsvertrag enthält zahlreiche Ansätze, um die Versorgung effizienter zu gestalten, Innovationen schneller in den Versorgungsalltag zu bringen und die Widerstandsfähigkeit des Gesundheitssystems zu erhöhen. Im Zentrum dieser Entwicklung steht die Universitätsmedizin – als Brücke zwischen Forschung, Lehre und klinischer Versorgung.
Universitätsmedizin als Schlüsselakteur im Gesundheitssystem
Die Deutsche Hochschulmedizin (DHM), bestehend aus dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) und dem Medizinischen Fakultätentag (MFT), sieht sich als strategischer Partner für die Transformation des Gesundheitssystems. Die besonderen Aufgaben der Universitätsmedizin – hochspezialisierte Patientenversorgung, medizinische Ausbildung und biomedizinische Forschung – machen sie unverzichtbar für eine nachhaltige und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung.
Krankenhausreform: Notwendig, aber zielgerichtet
Ein zentrales Element im Koalitionsvertrag ist das Bekenntnis zur Krankenhausreform. Diese zielt auf eine regional differenzierte, leistungsorientierte und qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung. Besonders hervorzuheben ist die Einführung von Leistungsgruppen und einer Vorhaltefinanzierung – zwei Werkzeuge, die es den Ländern ermöglichen, die Versorgung bedarfsgerecht zu steuern.
Doch Reformen müssen konsistent bleiben. Zusätzliche Ausnahmen, wie sie im Koalitionsvertrag angedacht sind, könnten die Wirksamkeit dieser Maßnahmen untergraben. Gerade Universitätsklinika benötigen stabile Rahmenbedingungen, da sie komplexe, hochspezialisierte Leistungen bündeln. Prof. Jens Scholz, Vorsitzender des VUD, unterstreicht: „Die Krankenhausreform darf nicht auf halber Strecke stehen bleiben. Die Universitätsmedizin muss bei der Fördermittelvergabe aus dem Transformationsfonds angemessen berücksichtigt werden.“
Gesundheitsversorgung braucht Steuerung und Integration
Neben der stationären Versorgung müssen auch neue Steuerungsmechanismen für den ambulanten Bereich etabliert werden. Die Einführung eines verbindlichen Primärarztsystems kann helfen, die Patientensteuerung zu verbessern und die Notaufnahmen zu entlasten. Ebenso ist die Reform der Notfallversorgung überfällig. Integrierte Notfallzentren an Klinikstandorten mit umfassender stationärer Versorgung sollen helfen, die Akutversorgung effizienter zu gestalten.
Resiliente Infrastruktur durch Investitionen
Die Pandemie hat die Schwachstellen im Gesundheitssystem deutlich gemacht – insbesondere in Bezug auf Infrastruktur, digitale Ausstattung und Kooperationsstrukturen. Die Universitätsmedizin begrüßt daher die geplanten Investitionen in die Digitalisierung, bauliche Ertüchtigung und IT-Sicherheit. Der gezielte Einsatz von Sondervermögen und ein Dachgesetz für kritische Infrastrukturen (KRITIS) schaffen hier eine belastbare Grundlage.
Eine zusätzliche Stärkung erfährt die Hochschulmedizin durch die Schnellbauinitiative von Bund und Ländern. Diese ermöglicht eine rasche Modernisierung der Gebäude und digitalen Infrastrukturen – ein entscheidender Schritt für mehr Widerstandsfähigkeit.
Forschung als Standortvorteil: Universitätsmedizin im Zentrum
Forschung ist kein Selbstzweck, sondern die Basis für medizinischen Fortschritt. Die Universitätsmedizin ist hierbei von zentraler Bedeutung: Sie verknüpft Grundlagenforschung mit klinischer Anwendung. Der Koalitionsvertrag erkennt dies an und betont die Rolle der klinischen Forschung, der Biotechnologie und der Datenvernetzung.
Ein starkes Signal ist die Verstetigung des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM). Dieses Netzwerk war während der Pandemie ein Motor für kooperative Forschung und soll künftig dauerhaft finanziert werden. Prof. Matthias Frosch, Präsident des MFT, erklärt: „Die Universitätsmedizin ist der Motor für die Translation – also die Überführung von Forschungsergebnissen in die Versorgung.“
Wichtige Rahmenbedingungen, wie eine effizientere Forschungsadministration und klare rechtliche Grundlagen für tierexperimentelle Forschung, werden im Koalitionsvertrag ebenfalls angesprochen und sind essenziell für exzellente Wissenschaft.
Gesundheitsdaten als Schlüssel zur Innovation
Ein innovatives Gesundheitssystem braucht Zugang zu hochwertigen Daten. Die Nutzung und der Schutz von Gesundheitsdaten stehen dabei nicht im Widerspruch, sondern ergänzen sich. Nur mit einer tragfähigen gesetzlichen Grundlage und einer vertrauenswürdigen Infrastruktur kann das Potenzial von Gesundheitsdaten gehoben werden. Universitätskliniken können hier als Pilotstandorte dienen und Standards setzen.
Nachwuchsförderung und Ausbildung zukunftssicher gestalten
Neben Forschung und Versorgung bildet die Universitätsmedizin auch den ärztlichen Nachwuchs aus. Eine moderne Ausbildung, die Theorie und Praxis verbindet, ist essenziell. Investitionen in Lehre, digitale Lernumgebungen und eine engere Verzahnung von klinischem Alltag und Forschung sichern die Qualität der Medizinerausbildung.
Besonders wichtig ist die Förderung der wissenschaftlichen Karrierewege. Junge Talente müssen frühzeitig für Forschung begeistert und strukturell gefördert werden. Nur so bleibt der Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig.
Zusammenarbeit als Zukunftsmodell
Die Herausforderungen der Zukunft können nicht im Alleingang bewältigt werden. Die Zusammenarbeit zwischen Universitätsklinika, kommunalen Krankenhäusern, Bundeswehrkrankenhäusern und Berufsgenossenschaftlichen Kliniken muss intensiviert werden. Insbesondere in Krisenlagen wie Pandemien oder Katastrophenfällen zeigt sich der Wert solcher Kooperationsstrukturen.
Darüber hinaus sind die Verschränkungen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, wie den Helmholtz- oder Fraunhofer-Instituten, ein Erfolgsmodell, das weiter ausgebaut werden sollte.
Verantwortung übernehmen – strukturell und politisch
Die neue Bundesregierung hat mit dem Koalitionsvertrag viele richtige Weichen gestellt. Jetzt gilt es, diese zügig und konsequent umzusetzen. Die Universitätsmedizin ist bereit, ihren Beitrag zu leisten – wissenschaftlich fundiert, qualitätsorientiert und verantwortungsvoll.
Der VUD und der MFT gratulieren den neuen Bundesministerinnen für Gesundheit und Forschung, Nina Warken und Dorothee Bär, zu ihren Ämtern. Beide stehen vor enormen Aufgaben – von der Krankenhausreform über die Digitalisierung bis hin zur nachhaltigen Finanzierung der Gesundheits- und Pflegeversicherung. Die Hochschulmedizin steht als verlässlicher Partner bereit.
Universitätsmedizin als Motor für ein gesundes Deutschland
Eine starke Universitätsmedizin ist der Schlüssel zu einer zukunftssicheren Gesundheitsversorgung. Sie verbindet Forschung, Lehre und klinische Exzellenz. Die jetzt beginnende Legislaturperiode bietet die Möglichkeit, strukturelle Reformen auf den Weg zu bringen und die Potenziale der Hochschulmedizin voll auszuschöpfen.
Mit gezielten Investitionen, einer klugen Gesetzgebung und strategischer Zusammenarbeit kann Deutschland seine Spitzenposition im Bereich Gesundheitsforschung und -versorgung behaupten – und im besten Fall weiter ausbauen. Die Universitätsmedizin ist bereit, Verantwortung zu übernehmen und den Wandel aktiv mitzugestalten.
Quelle: Deutsche Hochschulmedizin e.V., 07.05.2025
Bild: pixabay
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