Gericht rügt fehlende Nachvollziehbarkeit bei Entgeltkalkulation der Abwassergebühren
Mit wegweisenden Urteilen vom 14. Mai 2025 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden: Die Erhebung von Wasser- und Abwassergebühren durch die Landeshauptstadt Potsdam in den Jahren 2010, 2011 und 2012 war rechtswidrig. Damit folgt das Gericht der Argumentation mehrerer Kläger und stellt die Transparenz kommunaler Gebührenpraxis infrage.
Gegenstand der Urteile waren Gebührenbescheide zur Trinkwasser- und Schmutzwasserentsorgung sowie zur Niederschlagswassergebühr. Konkret betrafen die Verfahren die Gebührenjahre 2010 bis 2012 (Trink- und Schmutzwasser) sowie 2010 (Niederschlagswasser). Das zentrale Argument des Gerichts: Die Angemessenheit der Kosten, die die Stadt an ihre Dienstleisterin – die Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP) – zahlte, wurde nicht plausibel belegt.
Die Stadt Potsdam hatte die Versorgung und Entsorgung bereits 1998 vertraglich ausgelagert. Seit 2002 führt die EWP, ein Tochterunternehmen der Stadtwerke Potsdam (65 % städtische Beteiligung), die Aufgaben durch. Die Gebührenbescheide an die Bürger basierten auf einem Entgelt, das die Stadt an die EWP zahlte – ein Entgelt, das laut Gericht jedoch nicht transparent und nachvollziehbar kalkuliert wurde.
Keine Revision zugelassen – nächste Instanz nur auf Beschwerdeweg
Die Entscheidung des Gerichts ist zwar noch nicht rechtskräftig, aber eine Revision wurde vom OVG nicht zugelassen. Betroffene Seiten können lediglich Beschwerde gegen die Nichtzulassung beim Bundesverwaltungsgericht einlegen. Die Urteile tragen die Aktenzeichen OVG 9 B 14/19, OVG 9 B 22/19 und OVG 9 B 23/19.
Rückforderungen durch Bürger möglich?
Ob betroffene Bürgerinnen und Bürger mit Rückerstattungen rechnen können, hängt davon ab, ob ihre Gebührenbescheide bereits rechtskräftig sind oder ob noch rechtliche Möglichkeiten zur Anfechtung bestehen. Die aktuelle Entscheidung könnte jedoch auch Signalwirkung für andere Kommunen haben, die ähnliche Ver- und Entsorgungsmodelle nutzen.
Hintergrund: Gebührenpraxis unter der Lupe
In der Vergangenheit wurden kommunale Gebührenmodelle zunehmend kritisiert, insbesondere wenn öffentliche Aufgaben auf private oder teilprivate Unternehmen ausgelagert wurden. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, ob die Kalkulationsgrundlagen transparent genug sind, um kostendeckend aber nicht überhöht zu sein – ein zentraler Aspekt im deutschen Kommunalabgabenrecht.
Die Urteile aus Potsdam verdeutlichen: Fehlende Transparenz bei internen Verrechnungen kann zur Rechtswidrigkeit führen. Kommunen sind daher gut beraten, ihre Vertragsmodelle mit Dienstleistern regelmäßig zu überprüfen und gerichtsfeste Kalkulationsgrundlagen zu schaffen.
Bedeutung für andere Städte und Kommunen
Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg dürfte auch über Potsdam hinaus Relevanz entfalten. Viele Städte in Deutschland arbeiten mit externen Tochtergesellschaften oder privaten Dienstleistern im Bereich der Wasserver- und Abwasserentsorgung zusammen. Die Frage der Kalkulationsangemessenheit könnte somit bundesweit neue Verfahren nach sich ziehen.
Verwaltungsgericht stärkt Rechte der Gebührenzahler
Mit seinem Urteil hat das Oberverwaltungsgericht ein wichtiges Signal für Verbraucherrechte und die Kontrolle kommunaler Gebührenstrukturen gesetzt. Potsdam steht nun vor der Aufgabe, sein Gebührenmodell zu überarbeiten und möglicherweise finanzielle Rückabwicklungen vorzunehmen. Ob sich Bürger rückwirkend auf die Entscheidung berufen können, hängt vom Einzelfall ab – doch eines ist sicher: Die Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit kommunaler Abgaben steigen weiter.
Urteile Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom 14. Mai 2025 – OVG 9 B 14/19, OVG 9 B 22/19 und OVG 9 B 23/19
Quelle: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 14.05.2025
Bild: pixabay
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