Startseite BundesländerHessen Günter Rudolph (SPD): Bekämpfung von rechtsextremen Strukturen setzt verbesserten Kenntnisstand voraus

Günter Rudolph (SPD): Bekämpfung von rechtsextremen Strukturen setzt verbesserten Kenntnisstand voraus

von Frank Baranowski
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(LNP) Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion Günter Rudolph hat am Dienstag in Wiesbaden die Große Anfrage der SPD zu einer umfassenden Bestandsaufnahme von rechtsextremen und neonazistischen Strukturen in Hessen sowie von rechtsextremen Einstellungsmustern in der Gesellschaft vorgestellt. „Das Land Hessen muss rechtsextreme Strukturen und Netzwerke engagierter und effektive bekämpfen. Nur so können Morde wie die der NSU, Überfälle auf Zeltlager und andere Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund künftig verhindert werden. Darüber hinaus müssen wir uns auch gesellschaftspolitisch gegen rechtsextreme und fremdenfeindliche Einstellungen in nicht wenigen Teilen der Bevölkerung wenden. Voraussetzung dafür ist ein aktueller Kenntnisstand über rechtsextreme Netzwerke und Einstellungsmuster. Mit unserer Großen Anfrage fordern wir die Landesregierung auf, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, die relevanten Informationen dazu zusammenzutragen und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, sagte Rudolph.

Seit die SPD-Fraktion vor acht Jahren die letzte Große Anfrage zum Thema Rechtsextremismus eingebracht habe, habe sich die rechtsextreme und neonazitische Szene in Hessen grundlegend gewandelt. „Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Neonazi-Vereinigung  „Sturm 18“ vom Amtsgericht Kassel in das Vereinsregister eingetragen wurde. Beantragt hat die Vereinseintragung Bernd T., der bereits im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geraten ist, weil er aus der Haft in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld ein rechtes Gefängnis-Netzwerk aufgebaut hat. Vor wenigen Wochen tagte zum ersten Mal der NSU-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags, der insbesondere den Mord des rechtsextremen Terrornetzwerks an dem türkischstämmigen Internetcafé-Besitzer Halit Yozgat in Kassel aufarbeiten soll. Anfang Mai waren untergetauchte Neonazis, die in Hessen wegen Straftaten von der Polizei gesucht wurden beziehungsweise werden, Thema in den Medien und im Landtag. Schon diese Sachverhalte zeigen, dass es Hessen Probleme mit rechtsextremen und neonazistischen Strukturen gibt. Aber auch jenseits dieser Vorkommnisse reichen fremdenfeindliche und rechtsextremistische Einstellungsmuster bis tief in die sogenannte Mitte der Gesellschaft, wie beispielsweise Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer in seinen Studien nachweist“, so  der SPD-Abgeordnete.

„Unter anderem die Aufdeckung der NSU-Mordserie und Erkenntnisse über sogenannte Kameradschaften haben gezeigt, dass die rechtsextreme Szene hochgradig gewaltbereit ist, über straff organisierte Netzwerke verfügt, zu illegalen Schusswaffen Zugang hat und zum Teil auch in Drogengeschäfte und Prostitution verstrickt ist. Gerade die Kombination dieser Faktoren macht die Szene hoch gefährlich und damit gefährlicher, als man es noch vor einigen Jahren vermuten konnte. Rechtsextremismus und organisierte Kriminalität vermischen sich immer mehr“, sagte Rudolph. 

Leider verschließe die Hessische Landesregierung aus Sicht der SPD vor einigen Problemen die Augen und wolle sie nicht wahrhaben. So habe im Fall der untergetauchten Neonazis die Landesregierung vorgegeben, keine Informationen über Unterstützerkreise zu haben, die die untergetauchten Personen schützen. Dabei sei es in einem Rechtsstaat wie Deutschland nicht vorstellbar, dass diese Personen ohne ein unterstützendes Netzwerk jahrelang unentdeckt im Untergrund leben könnten.

Auch die Fragen der SPD zur Verwendung von neuen Medien in der rechtsextremen Szene, zur rechtsextremen Musik- und Party-Szene, zur Unterwanderung und Instrumentalisierung von Sportgruppen und Fanvereinen oder zur Rolle sogenannter Wehrsportgruppen zeigten eine besorgniserregende Entwicklung der rechtsextremen Szene gegenüber den Erkenntnissen der vorherigen Großen Anfrage.

„Beim Thema Antisemitismus, das ebenfalls Bestandteil der Großen Anfrage ist, konzentrieren wir uns mit unseren Fragen bewusst nicht allein auf die rechtsextreme Szene, sondern fragen auch nach Organisationen außerhalb des organisierten Rechtsextremismus, die Antisemitismus und antisemitische Vorurteile schüren. Diese Informationen dürften angesichts der aktuellen Pro-Palästina-Demonstrationen, bei denen sich der tief verwurzelte Judenhass vieler Teilnehmer offen zeigte, von besonderem aktuellem Interesse sein“, so der Parlamentarische Geschäftsführer.

Auch im Bereich der rechtspopulistischen Parteien erhoffe sich die SPD neue Erkenntnisse. „Die AfD ist beispielsweise eine Partei, deren Führungskräfte vor Migranten als „sozialen Bodensatz“ warnen, sich abfällig gegenüber der Gleichberechtigung von Mann und Frau, gegenüber Homosexuellen und Menschen mit Behinderungen äußern. Dass eine solche Partei in Hessen ein Ergebnis von über neun Prozent bei der Europawahl erzielen konnte, ist ein Indiz für die Reichweite solcher Einstellungsmuster bis tief in die Gesellschaft. Während man rechtsextreme Straftaten nur mit einer intensivierten Strafverfolgung ahnden und verhindern kann, bedarf es bei den gesellschaftlichen Einstellungen vermehrter demokratieorientierter Jugend- und Kulturabeit, sowie mehr Aufklärung in den Schulen. Auch dazu wollen wir von der Landesregierung erfahren, wie sie zu diesen präventiven Aspekten steht und was sie sich für die Zukunft vornehmen will“, sagte Rudolph.

Quelle: ltg.hessen.de

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