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Sozialministerium veröffentlicht Studie zum Thema „Verschickungskinder“

von Frank Baranowski
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Studie zum Thema „Verschickungskinder“ veröffentlicht

Sozialminister Laumann: Expertise als gute Grundlage für die wissenschaftliche Aufarbeitung von Leiderfahrungen

(lnp) Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) legt Studie zur Vorbereitung der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Kinderverschickung vorgelegt. Bis in die 1990er-Jahre hinein sind Hunderttausende Heranwachsende aus Nordrhein-Westfalen von staatlichen Stellen zu mehrwöchigen Aufenthalten in Kurheimen, insbesondere an Nord- und Ostsee, verschickt worden. Ziel sollte dabei eigentlich sein, ihnen Erholung zu verschaffen und ihre Gesundheit zu stabilisieren. Viele dieser ehemaligen „Verschickungskinder“ berichten jedoch von Leiderfahrungen, Misshandlung, menschlicher Kälte und Traumatisierung.

Der nordrhein-westfälische Landtag regte in einem einstimmigen Beschluss am 26. November 2021 die Einrichtung eines Runden Tisches zum Thema Kinderverschickung an. „Unser Land muss und wird sich auch mit den dunklen Kapiteln unserer Landesgeschichte auseinandersetzen. Das sind wir allen voran denen schuldig, denen Unrecht widerfahren ist. Die Studie ist eine gute Grundlage für die weitere wissenschaftliche Aufarbeitung. Wir werden in enger Abstimmung mit dem Verein der nordrhein-westfälischen Verschickungskinder den Runden Tisch einrichten, um ein Stück weit Licht ins Dunkel zu bringen“, erklärt Minister Karl-Josef Laumann.

„Nach vielen Jahrzehnten des Schweigens ist die Studie ein wichtiger Schritt in Richtung Wahrheitsfindung für alle Betroffenen“, sagt Detlef Lichtrauter vom Verein „Aufarbeitung Kinderverschickungen NRW e.V.“

Im Sozialministerium wurde im Oktober 2020 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Aufarbeitung der Kinderverschickung vorantreibt. Die nun vorgelegte Basis-Studie „Verschickungskinder in Nordrhein-Westfalen nach 1945“ bereitet als ersten Schritt einer wissenschaftlichen Untersuchung die bisher bekannten Fakten auf und identifiziert weiteren Forschungsbedarf. Sie wurde von Prof. Marc von Miquel, Leiter der Dokumentations- und Forschungsstelle der Sozialversicherungsträger (sv:dok) in Bochum, erstellt.

Die Studie legt offen, dass die Organisation der Erholungs- und Heilkuren für Kinder in der Weimar Republik aufgebaut und in der NS-Zeit an die Ideologie des Regimes angeglichen wurde. Diese Ausrichtung hat in den Folgejahren nachgewirkt, so dass mentale und personelle Kontinuitäten fortbestanden. In der Nachkriegszeit etablierte das nordrhein-westfälische Sozialministerium Standards für die Erholungs- und Heilfürsorge. Die Anzahl der Verschickungskuren erreichte in den 1960er- und 1970er-Jahren ihren Höhepunkt, nachdem das neue Bundessozialhilfegesetz deren Finanzierung erleichterte. Die meisten Berichte ehemaliger Verschickungskinder über Misshandlungen beziehen sich auf Erlebnisse in diesem Zeitraum.

Laut Studie organisierten die sogenannten Kinderfahrtmeldestellen in Nordrhein-Westfalen zwischen 1949 und 1990 Fahrten für über 2,1 Millionen Kurkinder. Alleine im Jahr 1962 wurden fast 100.000 Kinder und Jugendliche aus Nordrhein-Westfalen verschickt. Die Studie ist auf der Internetseite des MAGS hier verfügbar. Außerdem kann sie auf der Seite der Initiative Verschickungskinder heruntergeladen werden.

Quelle: sv:dok, Dokumentations- und Forschungsstelle der Sozialversicherungsträger, 17.01.2022
Bildquelle: pixabay

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