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Polareis könnte weicher sein als gedacht: Härte bisher überschätzt

von Frank Baranowski
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Wissenschaftler der Universität Tübingen untersuchen die Fließgeschwindigkeit des Eises in Nordgrönland – Modelle zur Entwicklung des Meeresspiegels müssen angepasst werden.

(lnp) Polareis könnte weicher sein als gedacht. Wissenschaftler der Universität Tübingen untersuchen die Fließgeschwindigkeit des Eises in Nordgrönland – Modelle zur Entwicklung des Meeresspiegels müssen angepasst werden.

Polareis weicher als bisher angenommen

Eis hat ähnliche Fließeigenschaften wie eine hochviskose, also sehr zähe Flüssigkeit. Die Eismassen der polaren Eisschilde fließen daher unter der Last ihres eigenen Gewichts Richtung Ozean. Um künftige Schwankungen des Meeresspiegels insbesondere unter veränderten Klimabedingungen vorhersagen zu können, ist es wichtig, die Fließgeschwindigkeit des Eises möglichst genau zu bestimmen. Dazu haben Professor Paul Bons und Juniorprofessorin Ilka Weikusat aus den Geowissenschaften der Universität Tübingen gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, der University of Otago (Neuseeland) und der Autonomen Universität Barcelona (Spanien) eine neue Studie am grönländischen Eisschild durchgeführt, die in den Geophysical Research Letters veröffentlicht wurde. Ihren Ergebnissen zufolge ist das Polareis weicher als bisher angenommen. Dies ist auch relevant für Modelle zur Entwicklung des Meeresspiegels.

Der Eisfluss, also der Eistransport Richtung Ozean, unterliegt hauptsächlich zwei Einflussfaktoren: Zum einen folgt er der internen Verformung des gesamten Eiskörpers, die allein von der Viskosität oder Zähflüssigkeit des Eises an sich abhängt; zum zweiten dem Gleiten der Eisdecke über den Felsuntergrund, insbesondere wenn die Eisbasis schmilzt. In ihrer Studie nutzten die Wissenschaftler Daten aus Satellitenbeobachtungen, die die Oberflächengeschwindigkeit des nordgrönländischen Eisschildes beschreiben. Daraus berechneten sie die Spannungen, die den Eisfluss verursachen. Dabei wurde klar, dass das Eis effektiv weicher ist als gewöhnlich angenommen.

Eis zuvor als härter eingeschätzt, als es wirklich ist

Frühere Studien wiesen darauf hin, dass der grönländische Eisschild auf bis zu 50 Prozent seiner Fläche an der Basis schmelzen könnte. „Unsere neue Studie zeigt, dass das Ausmaß der basalen Schmelze vermutlich stark überschätzt wurde. In bisherigen Arbeiten wurde Eis als härter eingeschätzt, als es tatsächlich ist“, sagt Paul Bons. Die Neubewertung der Eigenschaften des Eises verringere die Fläche deutlich, auf der die Eisdecke basal geschmolzen sein muss. „Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass das Eis den Ozean langsamer erreicht und der Meeresspiegel weniger schnell steigt. Vielmehr müssen wir nun die interne Deformation der Eisdecke als weitaus bedeutender für den Eisfluss bewerten als bislang angenommen“, erklärt Ilka Weikusat. Die neuen Ergebnisse sollten in Modelle zur Vorhersage der Entwicklung des Meeresspiegels einfließen.

Welchen Anteil jeweils die interne Scherung und das basale Gleiten am Transport des Eises haben, lässt sich nicht allein aus den Oberflächendaten bestimmen. Darüber sollen Tiefenbohrungen in das schnell fließende Eis Aufschluss geben, wie sie aktuell im EastGRIP-Projekt durchgeführt werden. An diesem Projekt sind mehrere der Studienautoren beteiligt.

Prof. Dr. Paul D. Bons
Universität Tübingen
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Geowissenschaften – Strukturgeologie
Telefon +49 7071 29-76469
paul.bons[at]uni-tuebingen.de

Quelle: Pressemitteilung Universität Tübingen vom 25. Juni 2018.
Bildquelle: Paul Bons, Ilka Weikusat.

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